EIR-Bericht Nr. 266 EIR-Bericht Nr. 266 Eidg. Institut fir Reaktorforschung Wurenlingen Schweiz Ueber die Notwendigkeit von Brutreaktoren H.K. Kohl, G. Sarlos, W. Seifritz Vortrag gehalten an der Orientierungstagung aber Gasgekiuhlte Brutreaktoren am 4. Juni 1974 in Bern 3ily Wirenlingen, Oktober 1974 Separatdruck aus «Neue Technik», Nr.9/1974, S. 343-350. Kerntechnik und Atomenergie Génie Nucléaire et Energie Atomique Nuclear Engineering and Atomic Power Uber die Notwendigkeit von Brutreaktoren Zusammenfassung Die Notwendigkeit der Einfiihrung der Brutreakto- ren wird aus der zukiinftigen Brennstoffverknap- pung und der daraus resultierenden Brennstoff- verteuerung fiir Leichtwasserreaktoren abgeleitet. Ohne die FEinfiihrung von Brutreaktoren wiirde aber auch der Uranbergbau einerseits und der er- forderliche Umfang der zu installierenden Trenn- kapazitit anderseits immense Ausmasse anneh- men. Gute Brutreaktoren konnen die Uran- und Thoriumreserven strecken und auf lange Zeit die Brennstoffversorgung sichern. Zurzeit scheint der Gasgekiihlte Schnelle Briiter, der allerdings gegen- iitber dem Natriumgekiihlten einen Entwicklungs- riickstand aufweist, eine giinstigere Brutrate zu haben. Fiir zukiinftige, autarke Reaktorsymbiosen von Briitern und Konvertern (Brennern) resultiert daraus ein giinstiges Verhdltnis von Briitern zu Brennern. Résumé La nécessité de Uintroduction de surrégénérateurs est conditionnée par la future pénurie en matiére premiére de combustible qui conduira a une augmentation du prix du combustible pour les réacteurs a eau légere. L’absence des surrégénérateurs entrainerait un ac- croissement intolérable aussi bien de la capacité des mines d’uranium que du travail de séparation. L'’utilisation de surrégénérateurs permet d’étendre les réserves en uranium-thorium et de garantir un approvisionnement de combustible a long terme. Le surrégénérateur refroidi au gaz, dont le déve- loppement est moins avancé que celui du réacteur refroidi au sodium, posséde un facteur de conver- sion plus favorable. Il en résulte une combinaison avantageuse de surrégénérateurs et convertisseurs qui conduit a des systémes autarciques. Summary The necessity of the introduction of Breeder Reac- tors results from the fuel shortage and from the Dr. H. K. Kohl, dipl. Ing., Dr. G. Sarlos und PD Dr. W. Seifritz, EIR, Wiirenlingen 1. Einleitung Neben den fossilen Brennstoffen: Kohle, Erdgas, Erdol wird heute hauptsidchlich auch Uran als Kernbrennstoff zur Energicerzeugung genutzt. Um die Mitte dieses Jahrhunderts hat -der Abbau des Urans eingesetzt. Der rasche Anstieg im Uran- bedarf wird dazufiihren, dass bereits zu Ende die- ses Jahrhunderts immer minderwertigere Uranerze abgebaut werden miissen, da die Kernenergie in der bevorstehenden transienten Phase ihrer Ein- filhrung sehr viel Uran bendtigen wird. In. den USA wird fiir das Jahr 1982 eine installierte nu- kleare Leistung von 150 000 MW, vorausgesagt, was dann etwa 20 %o der gesamten elektrischen Leistung der USA ausmachen wird [7]. Zeichnet sich ganz allgemein die Erschopfung einer Rohstoffreserve ab, so hat dies eine Aus- wirkung auf den Rohstoffpreis. Der Aufwand, der fiir weitere Prospektionen und Explorationen not- wendig wird, nimmt zu. Heute ist der Uranpreis bereits mit § 1/Ib U;O4 belastet, was etwa 10 %/y des U3Og-Preises ausmacht. Von 1975 bis 1983 rechnet man mit einem Preis- anstieg von durchschnittlich § 1 bis $ 2 pro Jahr pro 1b U;04. Fiir 1975 wird etwa ein Anstieg auf $ 10 bis $§ 11,5/1b U;04 vorausgesagt, fiir 1979 auf $ 15 bis $ 16 und fiir 1983 auf $ 18 bis $ 20 [2]. Brutreaktoren bieten die Moglichkeit, das vorhan- dene Uran wesentlich besser auszuniitzen und auch das etwa dreimal haufigere Thorium fiir die Kernenergie zu erschliessen. Im folgenden wird gezeigt, dass die Einfithrung von Schnellen Brii- tern nicht nur eine Moglichkeit zur Energie- und Spaltstofferzeugung, sondern schon in verhéltnis- missig naher Zukunft fiir die Nutzung der Kern- energie durch Spaltreaktoren eine Notwendigkeit darstellt. 2. Uranvorkommen und Brennstoffbedarf 2.1 Uranvorkommen in verschiedenen Preisklassen Die Uranvorkommen werden in Preisklassen ein- geteilt. Tabelle 1 gibt die sicheren Uran-Weltvor- kommen der westlichen Welt bis zur Preisklasse Separatdruck aus NT Nr. 9/1974 presumed increase in fuel prices for Light Water Reactors in the future. Without the introduction of Breeder Reactors the uranium mining and the needed separative work capacity would increase enormously. Good Breeder Reactors are able to extend the uranium and tho- rium reserves and to guarantee the fuel supply for a long time. At the moment the Gas Cooled Fast Reactor — which is in its development behind the Sodium Cooled Fast Reactor — seems to have a better breeding rate than the Sodium Cooled Reactor. In future, for a maximum independence the for- mer provides a more favourable ratio of breeder to burner reactors. Tabelle 1 Sichere Uranvorkommen der westlichen Welt [3] Preisklasse sichere Vorkommen 106 sht U304 bis $§ 5/1b U;O4 0,7 bis $ 10/1b U;O4 1,5 25 $ 10-$ 15/1b U;04 1,0 ’ ($ bedeutet den US-Dollar vom Friihjahr 1973, 11b = 0,45 kg, 1 sht = 907 kg) von § 15/1b UsOq4 an [3]. Als sichere Uranvor- kommen gelten Lagerstitten, die Uran in einer Menge und Art enthalten, die eine gewinnbrin- gende Forderung mit bekannten Abbau- und Ver- arbeitungsmethoden innerhalb des angegebenen Preisbereiches erlauben. Die Abschiatzung des Um- fanges der Lagerstiitten und der Urangehalte griin- det sich auf die Lagerstdttenbestimmung und die Ergebnisse von Proben iiber den Urangehalt. Es sind eigentliche Reserven im Sinne des Bergbaus. In Tabelle 2 sind die sicheren und zusitzlich ge- schitzten Uranvorkommen der USA fiir verschie- dene Preisklassen zusammengestellt [4, 7]. Unter den zusitzlich geschitzten Vorkommen versteht man jenes Uran, das in bekannten Lagerstétten ohne Exploration oder in unbekannten Lagerstét- ten in bekannten Urangebieten vermutet wird. Da die Prospektion und Exploration primir auf die Identifikation von Vorkommen in den preisgiin- stigen Kategorien ausgerichtet ist, ist die Zuverlas- sigkeit der Vorkommen in diesen Klassen am hdch- sten. Geographisch verteilen sich die sicheren Uranvor- kommen in der interessanten Preisklasse unter $ 10/1b U 04 folgendermassen: etwa /s liegen in den USA und jeweils etwa /5 in Siidafrika, Austra- lien und Kanada. Im Meerwasser ist Uran mit etwa 0,003 ppm ent- halten. Schitzungen fiir die Urangewinnung aus dem Meerwasser ergaben Gestehungskosten fiir das Pfund Urankonzentrat zwischen $§ 35 und $ 1000. Tabelle 2 Uranvorrite der USA [4, 7] Preisklasse Erzkonzen- sichere Vor- zusitzlich tration kommen geschitzt ppm UsOg 106sht U;0q4 106sht UzOqg <$ 10/b > 1600 0,3 0,7 <$ 15/b > 1000 0,5 1,0 <$ 30/b > 200 0,7 1,6 <$ 501b > 60 4,8 3.6 <$100/Ib > 25 8,8 8,6 2.2 Kernbrennstoffbedarf Wie bereits erwidhnt, wird die installierte Kern- kraftwerkskapazitit sehr rasch ansteigen und da- mit auch der Bedarf an Kernbrennstoff. Tabelle 3 enthilt die voraussichtlich installierte Kernkraft- - werkskapazitit und den daraus abgeleiteten Uran- bedarf der westlichen Welt bis zum Jahr 2000 [5]. Die installierte Kapazitit steigt in den Jahren 1973 bis 2000 vermutlich um etwa das Fiinfzigfache an, dabei steigt auch der relative Anteil der Kernener- gie an der Gesamtenergieerzeugung. Der Uran- bedarf erhoht sich im selben Zeitraum um den Tabelle 3 Voraussichtlich installierte Kernkraft- werkskapazitit und benétigtes Uran der westlichen Welt bis zum Jahr 2000 [5] Jahr Installierte Kernkraftwerks- Benotigtes Uran™ 106 sht UOq kapazitit, GWe (kumuliert) 1973 50 0,01 1975 93 0,09 1980 172 0,4 1985 585 1,0 1990 1088 2.0 2000 2660 e * Mit Pu-Recycling in LWRs in 75 %/o der Kern- kraftwerke bis zum Jahre 1979 5 / © (@] B - 4q £ (7] o | o 3. “é Vorrdte E 215 &3 <$|5/|b:' 3% i g Fd E 15 <$10/1b I.. ......... ™ ™ T 1985 1990 1995 2000 { Jahr) Bild 1 Kumulierter Uranbedarf der westlichen Welt [5] 0 1970 1975 1980 Bedarf: 5,3 Mio. sht U30g Vorrat: 2.5 Mio. sht | ( Mit Pu-Recycl- U30g ing in LWRs) <$15/1b \ Bild 2 Massstiabliche illustrierte Kernbrennstoffbilanz im Jahre 2000 Faktor 530. Dabei ist ein Abreicherungsgrad in den Trennanlagen auf 0,3 °/o in Rechnung gesetzt. In Bild 1 ist der Uranbedarf der westlichen Welt als Kurve iiber den Zeitraum 1970 bis 2000 auf- gezeichnet. Die sicheren Vorrite der westlichen Welt von 1,5 Millionen sht U3Oq in der Preisklasse bis $ 10/1b U;Oq4 reichen bis in die zweite Hilfte der 1980er Jahre und die sicheren Vorrite von 2,5 Millionen sht UsOq in der Preisklasse << $ 15/ Ib U304 bis in die anfanglichen 1990er Jahre. Das heisst aber nicht, dass zu diesen Zeitpunkten das Uran zu diesen Preisen gehandelt werden wird, worauf eingangs bereits hingewiesen wurde. 2.3 Kernbrennstoffbilanz fiir die westliche Welt im Jahr 2000 Stellt man die heute bekannten Uranvorrédte von 2,5 Millionen sht UsOq (Preisklasse << $ 15/1b) dem Bedarf von 5,3 Millionen sht U;Oq (mit Pu- Recycling in LWRs) gegeniiber, so ergibt sich fiir das Jahr 2000 ein mehr als doppelt so hoher Be- darf als Vorrat in dieser noch relativ preisgiinsti- gen Klasse (Bild 2). Um diesen hohen Bedarf zu decken, miissen entweder neue Uranvorkommen prospektiert und exploriert werden, oder man ist gezwungen, die drmeren Vorkommen, die ent- sprechend hohere Kosten verursachen, zu verwen- den. Dabei muss beachtet werden, dass sieben bis acht Jahre notwendig sind, um neue Bergbau- anlagen in Betrieb zu nehmen. 2.4 Technisch-6konomische Grenzen des Uranbergbaus und der Bereitstellung von Trennkapazitit Der Einfluss eines Anstiegs der Brennstoffkosten auf die Energiegestehungskosten bei Kernreaktoren (Leichtwasserreaktoren mit Pu-Recycling) kann mit folgender Faustformel [6] berechnet werden: Beim Ubergang auf einen Uranpreis von $§ X/Ib U,0; gegeniiber der heutigen Basis $§ 8/lb UzOq erh6hen sich die Stromerzeugungskosten um A [ s ]= 0,06 (X—8) 2.4.1) KWh, Beispiel: Beim Einsatz von Uran der Preisklasse $ 30/Ib UzO4 betrigt die Erhohung der Energie- gestehungskosten A = 1,32 mills/KWh,, was bei einem heutigen Energiepreis von ungefihr 15 mills/ KWh, etwa eine 10%ige Erhohung bedeutet. Der Ubergang auf Uran der Klasse $ 100/Ib UzOq wiirde unter denselben Annahmen die Strom- gestehungskosten um == 37 ®/o erhdhen. Zusitzlich zu dieser — vielleicht nicht schwerwie- gend erscheinenden — Preissteigerung fiir die Kern- energie, muss aber der gewaltige Materialumsatz beachtet werden, der bei Verwendung &rmerer Uranerze in den Uranbergwerken zu bewerkstelli- gen ist. Rechnet man mit einer Jahresproduktion von 70 000 sht U;0q, die Mitte der 1980er Jahre in den USA bendtigt werden, so erfordert der Ab- bau von Uranerz in der Preisklasse § 50/1b UsOg einen Gesteinsumsatz von etwa 1,2 Milliarden Ton- nen im Jahr, was dem gegenwirtigen Material- umsatz des gesamten US-Kohlebergbaus ent- spricht. Aus dem exponentiellen Anstieg des Uran- bedarfs wiirde sich bei Verarbeitung von immer armeren Uranerzen ein iiberexponentielles Wachs- tum fiir den Uranbergbau ergeben, was eine kaum erwiinschte Umweltbelastung mit sich bringen diirfte und auch enorme 6konomische Risiken in sich birgt. Eine Sjdhrige Verzogerung bei der Ein- filhrung der Briiter — zum Beispiel statt 1986 erst 1991 — wiirde im Jahr 2040 fiir die USA zusitz- lich eine Bereitstellung von 1 Million sht U;Oq4 be- dingen. Das ist fast das Dreifache der in der west- lichen Welt insgesamt bendtigten U;Og-Menge im Jahr 2000! Weiter miisste bei ausschliesslicher zukiinftiger Verwendung von Leichtwasserreaktoren (selbst mit Pu-Recycling) fiir die Urananreicherung eine immense Trennarbeitskapazitit bereitgestellt wer- den. Tabelle 4 gibt eine Ubersicht iiber die jahr- lich erforderliche Trennarbeit bis zum Jahre 2000 [5]. Dabei wird mit einer Abreicherung («tails assay») auf 0,3 9/o gerechnet. Wie aus der Tabelle ersichtlich, wird die voraussichtlich bendtigte Trennarbeit von 1975 bis 2000 um mehr als das 12fache ansteigen, was gewaltige Investitionen notig machen wird. Eine Verzégerung der Briiter- einfilhrung — zum Beispiel statt 1986 erst 1991 — wiirde bedingen, dass die Trennkapazitdt im Jahr 2000 um 30 /o grosser sein miisste. Tabelle 4 Voraussichtlich benétigte Trennarbeit bis zum Jahr 2000 [5] Voraussichtlich benétigte Trennarbeit in 106 kg UTA*/a Jahr USA westliche Welt Summe west- ausser USA liche Welt 1973 3,5 2,8 6,3 1975 6,8 6,2 13,0 1980 15,3 13,8 29,1 1985 30,0 27,9 57,9 1990 52,8 47,7 100,5 2000 74,3 84,6 158,9 * UTA — Urantrennarbeit 3. Die Ausnutzung des Urans in Leicht- wasserreaktoren Bei einem natiirlichen Gehalt von etwa 0,7 % spaltbarem Uran-235 und einer Abreicherung auf 0,3 °/o gelangen nur 0,4 9/o des Urans als Spaltstoff. in die Leichtwasserreaktoren. Werden davon in einem Zyklus drei Viertel gespalten und rechnet man fiir diese Reaktoren mit einer Konversions- rate (CR = Zahl der gebildeten spaltbaren Atome/ Zahl der verbrauchten spaltbaren Atome) von CR = 0,5 bis 0,6, so kann das Uran effektiv nur unter 0,5 9/ ausgenutzt werden. Dies ist der Grund fiir den hohen Uranbedarf in Bild 1, und es geht aus der obigen Darstellung her- vor, dass schon mittelfristig und vor allem lang- fristig (nach 2000) eine bessere Ausnutzung des Urans unbedingt nétig wird. Die Moglichkeiten dazu werden im folgenden beschrieben. 4. Der Brutreaktor Um Kernbrennstoff fiir thermische Reaktoren zu erzeugen, ist als Rohstoff in erster Linie Uranerz notwendig; fiir den Erzabbau, die Zerkleinerung, Laugung, Extraktion, Konversion, Isotopentren- nung und Brennstofferzeugung soll schematisch als weitere Voraussetzung die elektrische Energie genannt werden, die nétig ist, um diese Prozesse durchfithren zu konnen. Daraus ergibt sich das einfache Schema in Bild 3, wonach der nukleare Brennstoff unter Eingabe von Uranerz und elektri- scher Energie erzeugt werden kann. Der Briiter bendtigt Brennstoff und liefert wiederum Brenn- stoff und elektrische Enetrgie zu konkurrenzfihi- gen Bedingungen. Er hat also — phédnomenologisch gesehen — umgekehrt zur Brennstofferzeugung einen Eingang und zwei Ausginge. Ein Brutreak- tor liefert im Gegensatz zu einem Konverter mehr spaltbaren Brennstoff als er verbraucht. Fiir die Erstladung eines Schnellen Briiters mit Pu-239/U-238-Brutzyklus wird Plutonium, das in thermischen Reaktoren erzeugt wurde, bendtigt. Der U-233/Th-232-Zyklus, der die Erschliessung des Thoriums erméglicht, zeigt hingegen bei einem weicheren (thermischen) Neutronenspektrum eine hohere Effektivitit als in einem schnellen. In einer neueren Arbeit [8] wird dargelegt, dass der U-233/ Th-232-Zyklus faktisch ebensogut wie der Pu-239/ U-238-Zyklus in einem schnellen Reaktor arbeitet, Uranerz Nuklearer Brennstoff- Brennstoff kWh erzeugung Brennstoff Brennstoff Briiter kWh (konkurenz - fahig) Bild 3 Phinomenologischer Unterschied der Brennstoff- erzeugung fiir thermische Reaktoren einerseits und eines Brutreaktors anderseits wenn man sich auf externes Briiten beschrinkt, das heisst wenn man etwa die radialen Blankets eines schnellen Reaktors mit Thorium (ThO,) be- 14dt. Das so erbriitete U-233 kann — wie wir noch sehen werden — als Brennstoff fiir Hochtempera- turreaktoren dienen. 4.1 Einige Definitionen des Briitens Der Brutgewinn, BG, an Spaltstoff (U-233, Pu-239 beziehungsweise Pu-241) aus einem Brennstoff- zyklus bei einem Briiter ist definiert als: (Spaltstoff am Zyklusende) — (Spaltstoff zu Zyklusbeginn) BR =1+ BG = RDT (Spaltstoffverbrauch) (Netto-Gewinn an Spaltstoff) (Spaltstoffverbrauch) (4.1.1) In dhnlicher Weise ist die Brutrate, BR, definiert als: (erzeugter Spaltstoff) 4.1.2 (verbrauchter Spaltstoff) L) Dieser Wert ist fiir einen Briiter grosser als 1; das heisst man kann mit einem Brutgewinn netto- missig rechnen. Eine weitere wichtige Grosse stellt die Verdopp- lungszeit, RDT (reactor doubling fime) dar als jene Zeit (in Jahren), die notig ist, um das spalt- bare Material fiir eine neue Reaktorladung aus dem Netto-Gewinn an Spaltstoff zu erhalten: (Spaltstoff zu Zyklusbeginn) B (Netto-Gewinn an Spaltstoff) X (Brennstoffzyklen/Jahr) (4.1.3) In der Praxis ist wihrend eines Zyklus nur ein Teil des Spaltstoffinventars im Reaktorkern; ein Anteil von etwa 60°/o des im Reaktorkern befindlichen Spaltstoffes zirkuliert ausserhalb des Reaktors (Wiederaufbereitung). Man erhilt deshalb fiir die praktische Verdopp- lungszeit des Spaltstoffinventars eines Brennstoff- zyklus, IDT (inventory doubling time) folgenden Ausdruck: (Spaltstoff zu Zyklusbeginn) IDT = {(Netto-Gewinn an Spaltstoff) — (Aussenverluste an Spaltstoff) } Aussenfaktor = X (Aussenfaktor) X (Brennstoffzyklen/Jahr) (4.1.4) wobei auch Wiederaufbereitungsverluste in Rech- nung gesetzt sind. Der (Spaltstoff zu Zyklusbeginn) -+ (Spaltstoff aus Reaktor) (Spaltstoff zu Zyklusbeginn) beriicksichtigt die Spaltstoffmenge, die ausserhalb des Reaktors in Umlauf ist [9]. Betrachtet man einen Verbund von Brutreaktoren, der eine Vielzahl dieser Reaktoren enthilt, und in welchem dann der erbriitete Brennstoff praktisch kontinuierlich exponentiell anfillt, so ist es sinn- voll eine Systemverdopplungszeit (compound in- ventory doubling fime) CIDT = 0,693 IDT (4.1.6) einzufiihren. Um den ansteigenden Bedarf an elektrischer Ener- gie zu decken, der einen Anstieg im Brennstoff- bedarf verursacht, ist es wiinschenswert, wenn die Verdopplungszeit des Energiebedarfs — also etwa zehn Jahre — mit der Verdoppelungszeit der ver- wendeten Briiter iibereinstimmt. 5. Brutreaktortypen 5.1 Der Natriumgekiihlte Schnelle Briiter Zurzeit sind bereits verschiedene Prototypanlagen dieses Typs (DEMOs) der Grosse 250-300MW, in Betrieb, wie Phénix (Frankreich), PFR (Eng- land), BN-350 (UdSSR). Die Investitionen fiir diese Anlagen sind hoch. Fiir den amerikanischen DEMO rechnet man mit rund den doppelten An- lagekosten verglichen mit einem Leichtwasserreak- tor gleicher Leistung. Diese hohen Kosten sind zu- riickzufithren auf Sicherheitsiiberlegungen, die die Anlage verteuern beziehungsweise auf die kom- plexe Natriumtechnologie. Eine heute noch offene Frage ist die wirtschaftliche Energieerzeugung mit Natriumgekiihlten Schnellen Briitern. ‘ Als Vorteile fiir die Natriumkiihlung gegeniiber der Gaskiihlung gelten: niedriger Systemdruck, sehr gutes Warmeiibertragungsmittel, geringeres Brenn- stoffinventar, hoher Wirkungsgrad (40—42 9/o) der Anlage bei mittleren Temperaturen. In Tabelle 5 sind Verdopplungszeiten fiir kiinftige kommerzielle Na-Briiter angegeben. Sie sind bei Oxidbrennstoff ungiinstiger als bei Karbidbrenn- stoff. In projektierten Anlagen rechnet man mit folgenden Brutraten: DEMO (USA): 1,15 * 0,05; der SNR-300 wird aus Kostenersparnisgriinden mit einem diinneren radialen Brutmantel bei < 1 liegen, der franzosische Superphénix wird bei 1,1 liegen und bei spateren weiteren kommerziellen Anlagen ist mit 1,2-1,3 zu rechnen. 5.2 Der Gasgekiihlte Schnelle Briiter Es existieren noch keine Prototypen mit Gaskiih- lung. Eine sichere Voraussage iiber eine wirtschaft- liche Energieerzeugung ist zurzeit noch nicht mog- lich. Die Gasbriiterentwicklung zieht Nutzen aus der Entwicklung des Na-Briiters fiir das oxidische Brennelement. Der Brennstab im gasgekiihlten (4.1.5) Briiter unterscheidet sich allerdings vom Brenn- Tabelle 5 Verdopplungszeiten fiir kiinftige kommerzielle Natriumgekiihlte Schnelle Briiter [4] Shiez Brennstoff- Abbrand Verdopplungszeit in Jahren Brennstoff Leistung Vi;z:i?olrm Brutraten MWth/kg** Tahr % Fima Fifa 1.1 1.15 1.2 1.3 1.4 Oxid 0,7 1 3,3 0,25 112 61 42 26 19 3 10 0,75 47 30 22 14,2 10,5 Karbid* 1,4 1 6,7 0,50 - 26 19 12,2 9,0 1,5 10 0,75 - 20 14,5 9,5 7,0 2 13,3 1,00 — 17 12,6 8,3 6,1 * noch erhebliche Entwicklungsarbeit notwendig! ** Schwermetall stab im natriumgekiihlten Briiter, durch seine Ent- liiftung und aufgerauhte Hiille. Von den gasge- kiihlten Reaktoren, insbesondere dem Hochtempe- raturreaktor, kann das Engineering fiir die Helium- gaskiihlung und den vorgespannten Betondruck- behilter ibernommen werden, so dass wahrschein- lich ein viel kleinerer F&E-Aufwand notwendig sein diirfte, als fiir die Natriumgekiihlten Briiter. Als Vorteile des Gasbriiters gelten: inertes, durch- sichtiges, einphasiges Kiihlmittel, reduzierte spezi- fische Leistung, nur schwache neutronische Wech- selwirkungen mit dem Kiihlmittel, gut iiberschau- bare nukleare Sicherheit. Die Brutrate einer zukiinftigen 1000-MW, -kom- merziellen Anlage wurde in unserem Hause mit BR = 1,38 (bei oxidischem Brennstoff) ermittelt [10]. Es werden auch Werte bis zu BR = 1,49 bei halbjdhrlicher Coreumladung fiir einen 1000- MW, -Gasbriiter angegeben [8]. Zukiinftige, reali- stische Werte diirften bei 1,3-1,4 liegen. 5.3 Brutraten, Konversionsraten, Gesamiwirkungsgrad und Uz0s-Inventar verschiedener Reaktoren In Tabelle 6 sind die Brutraten beziehungsweise Konversionsraten, der Gesamtwirkungsgrad und das UjOg-Inventar der verschiedenen Reaktoren zusammengestellt. Auffallend ist das geringe U3Og- Inventar der Briiter, die nach der Erstladung mit rund einer sht U;Oq pro Jahr iiber die gesamte Be-. triebszeit auskommen, was fiir dieselbe elektrische Leistung gilt, wie fiir die thermischen Reaktoren. 6. Symbiotische Reaktorstrategien Eine Symbiose von verschiedenartigen Konver- tern beziehungsweise Brennern mit Briitern soll den Zweck verfolgen, einerseits allen Energieanforde- rungen gerecht zu werden, das heisst die Bereit- stellung von: — elektrischer Energie, — Hochtemperaturprozesswiarme fiir industrielle Zwecke, Tabelle 6 Brutraten, Konversionsraten, Gesamtwirkungsgrad und U;Og-Inventar verschiedener Reaktoren [4] Brutrate bzw. Gesamt- Inventar sht U304 Reaktortyp Konversionsrate wirkungsgrad sht UsOq bei 40jéhrigem BR bzw. CR ng bzw. 1. Betrieb LWR (1000 MWe) 0,5 -0,6 ~ 0,33 548 (PWR) 5000 (LWR) 580 (BWR) HTGR (1000 MWe) 0,66-0,9 ~ 0,40 456 2400 LMFBR (kommerziell) 1,2 —1,25 ~ 0,40 ~ 80 ~ 110% GCFR (kommerziell) 1,3 -1,4 =~ 0,37 ~ 100 ~ 140* LWR = Light Water Reactor HTGR = HighTemperatur Gas-Cooled Reactor BWR = Boiling Water Reactor LMFBR = Liquid Metal Fast Breeder Reactor Pressurized Water Reactor GCFR = Gas-Cooled Fast Breeder Reactor PWR = * Aussenfaktor beriicksichtigt — kalorischer Fernwiarme fiir Fernheiznetze zur Raumbeheizung, soll hinreichend gewihrleistet werden. Anderseits will man aber auch gleichzeitig weit- gehend von Rohstoffen unabhingig werden, so dass nur soviel Uran beziehungsweise Thorium in ein Symbiosesystem nachgespeist werden muss, wie infolge von Spaltung (Ig pro MWd erzeugter thermischer Leistung) verbraucht wird. Neuerdings ist eine interessante Symbiose von GCFRs und HTGRs in den Vordergrund geriickt [8, 10, 11, 12]. Der Grundgedanke dieser Philosophie ist, dass ein GCFR so ausgelegt wird, dass der Kern mit den axialen Blankets auf der Grundlage des Uran- Plutonium-Zyklus eine Konversionsrate von CR = 1 besitzt, wihrend die radialen Blankets Thoriumoxid enthalten. Das erzeugte Plutonium wird in den Kern des Reaktors zuriickgefiihrt und ersetzt ‘gerade wieder die Spaltstoffverluste. Der iiberschiissig erbriitete Brennstoff ist Uran-233 und wird in den radialen Blankets erzeugt. Dieses U-233 wird in HTGRs eingesetzt, die sich wegen CR <1 brennstoffmissig nicht selbst erhalten konnen. Dieses System erhilt sich selbst und ist somit autark bis auf die Nachspeisung von Natur- uran und Thorium. Die GCFRs dienen neben der Energieerzeugung als Brennstoffabriken fiir die HTGRs, die auf Grund ihrer Hochtemperatur- wirme ein hohes Potential in der Zukunft haben werden, Somit sind keine Isotopentrennanlagen mehr notig. Nimmt man vereinfacht an, dass in einem solchen System alle GCFRs dieselbe Brutrate BR, und alle HTGRs dieselbe Konversionsrate CR, besitzen, sind weiterhin die thermischen Leistungen und Lastfaktoren aller Reaktoren gleich, und die elek- trischen Anlagewirkungsgrade der Konverter und ,Briiter durch 7 beziehungsweise 5y berlicksichtigt, so ergibt sich im stationdren Gleichgewicht das Verhiltnis der Zahl HTGRs N, zur Zahl der be- nétigten GCFRs M, zu [10, 12] N 1 BR1 g M a 1"CR B (6.1) (a==1.1 fiir den beschriebenen gemischten Zyklus: Pu-239/U-238-Zyklus und U-233/Th-232-Zyklus; a~=>1.66 fiir einen reinen Uran-Plutonium-Zyklus). Die total installierte elektrische Leistung L, ,, stellt die Summe aus den elektrischen Leistungen der Konverter, L, und jene der Briiter, L, gemaéss Ltot = N * LC + M LB (6.2) dar. Fiir eine bestimmte zu installierende Leistung kann unter Annahmen fiir die Konversions- und Brutraten und fiir die Brutsysteme eine Abschiit- zung der Anzahl von Briitern (LMFBRs, GCFRs) zu Brennern (LWRs, HTGRs) nach Gleichung 6.1 getroffen werden. Die Tabellen 7 und 8 geben als Tabelle 7 Anzahl von Briitern zu Brennern in Symbiose mit reinem U/Pu-Zyklus fiir eine installierte Gesamtleistung von 10 000 MWe Brenner-Typ LWR HTGR Briiter-Typ LMFBR 8 LMFBRs : 2 LWRs 6 LMFBRs : 4 HTGRs GCFR 7GCFRs : 3LWRs 5GCFRs : 5 HTGRs (Alle Reaktoren besitzen eine Leistung von 1000 MWe; das in den Briitern iiberschiissige erzeugte Plu- tonium geht in die Brenner, welche ebenfalls mit dem U/Pu-Zyklus arbeiten) Tabelle 8 Anzahl von Briitern zu Brennern in Symbiose, mit gemischtem U/Pu- und Th/U-233-Zyklus, fiir eine installierte Gesamtleistung von 10 000 MWe Brenner-Typ = LWR HTGR Briiter-Typ LMFBR 7 LMFBRs : 3 LWRs 5 LMFBRs : 5 HTGRs GCFR 6 GCFRs : 4 LWRs 4 GCFRs : 6 HTGRs (Alle Reaktoren besitzen eine Leistung von 1000 MWe; das in den radialen Blankets der Briiter iiber- schiissig erzeugte U-233 geht in die Brenner, welche mit dem Th/U-233-Zyklus arbeiten) Beispiel fiir eine installierte Leistung von 10 000 MWe die Anzahl der benétigten Briiter und Bren- ner an, bei Verwendung des reinen Plutonium- zyklus bezichungsweise bei gemischten Zyklen. Der Berechnung liegen die Mittelwerte der Brut- be- ziechungsweise Konversionsraten und die Wir- kungsgrade der Tabelle 6 zugrunde. | Durch Vergleich der beiden Tabellen sieht man, dass unter Anwendung des gemischten Brennstoff- zyklus (Tabelle 8) 4 GCFRs—6 HTGRs, mit Brenn- stoff versorgen konnen. Die Firma General Atomics (frither Gulf General Atomic Comp.) glaubt sogar, dass ein Verhdltnis von 3 oder gar 4 HTGRs pro GCFR moglich sein miisste, wenn optimistischere Brutraten fiir den GCFR; und Konversionsraten fiir den HTGR bis 0,9 angenommen werden. Eine GCFR/HTGR-Symbiose basierend auf ge- mischtem Brennstoffzyklus ist also am vorteilhaf- testen, da die kleinste Anzahl von Briitern benotigt wird. In einem gemischten Zyklus zirkuliert viel weniger Plutonium, als in einem System das nur den reinen U/Pu-Zyklus verwendet. Ein entscheidender Vorteil ist jedoch der, dass auch der Thoriumkreislauf erschlossen wird, und zwar wird gewichtsméassig mehr Thorium als Uran verbrannt. Da mehr Thorium als Uran in der Na- tur vorkommt, konnen somit diese Rohstoffe fiir die Kernspaltung optimal ausgeniitzt werden. 7. Schlussfolgerungen Wie gezeigt wurde, leitet sich die Notwendigkeit von Briitern aus der zukiinftigen Brennstoffver- sorgung und den technisch-wirtschaftlichen Gren- zen ab, die durch den Uranbergbau und die erfor- derliche Trennarbeit gegeben sind. Der Natrium- gekiihlte Schnelle Briiter besitzt gegeniiber dem Gasgekiihlten einen Entwicklungsvorsprung. So- weit zurzeit beurteilbar, sind mit dem Gasgekiihlt- ten Schnellen Briiter hohere Brutraten zu errei- chen als mit Natriumgekiihlten. Eine Losung der zukiinftigen Rohstoffversorgung kann mit Reaktor- symbiosen erreicht werden, wozu der Briiter un- bedingt notwendig ist Es sind sowohl Symbiosen von Briitern mit Leichtwasserreaktoren, wie auch mit Hochtemperaturreaktoren moglich. Die Ver- wendung von GCFRs wiirde eine geringere Anzahl von Briitern fiir eine bestimmte zu installierende Leistung ergeben. Aus der Bedeutung der Brenn- stoffversorgung fiir die Kernenergie erscheint je- doch die Verfolgung von zwei Briiterkonzepten sinnvoll und das Energieproblem der Zukunft durch die rechtzeitige Einfiihrung von Schnellen Briitern 10sbar. Literatur 1. Seaborg, G.T.: Annals Nucl. Sci. Eng. 1. p.2 (1974). 2. Nucleonics Week: 15, p. 6 (1974). 3. Hampel, H, R.: Atomwirtschaft 7, 330 (1973). 4. Report of the Cornell Workshops on the Major Issues of a National Energy Research and Development Pro- gram, Sept. 14—Oct. 17, 1973, Cornell University, Ithaca, New York 14 850, p. 9, 1973. 5. idem, p. 135. . idem, p. 136. . idem, p. 137. . Fortescue, P.: Annals of Nucl. Sci. Eng. 1, p. 21 (1974). . Wyckoff, H.L., und Greebler, P.: Nucl. Techn. 21, . 158 (1974). 10. Seifritz, W.: Chimia, S.1 (1974). 11. Melése-d’Hospital, G., und Meyer, L.: Status of GCFBRs in the USA, Reaktortagung, 2.—5. April 1974, Berlin. Lo B =T BEE BN @ 12. Schikorr, W.: Reaktorstrategie zu einer autarken Pri- mirenergieversorgung, Reaktortagung, 2.—5. April 1974, Berlin.